fotografisches beobachtungskonzept | fotografische langzeitbeobachtung schlieren 2005 – 2020

Fotografisches Beobachtungskonzept

Ulrich Görlich und Meret Wandeler entwickelten im Rahmen der ersten Projekt-Phase 2005/06 in Zusammenarbeit mit den Partnern Stadt Schlieren und Metron AG ein fotografisches Beobachtungskonzept und führten die erste fotografische Bestandesaufnahme 2005 durch. Das fotografische Beobachtungskonzept formuliert fotografische Strategien, um Siedlungsentwicklung als Prozess wahrnehmbar zu machen: als Zusammenspiel von parallel ablaufenden Veränderungen unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Es bildet die Grundlage für die fortlaufende Dokumentation. Das Beobachtungskonzept definiert die fotografischen Methoden, die Beobachtungsrhythmen und legt die zu fotografierenden Orte und Gegenstände fest. Es ist personenunabhängig angelegt, die Beobachtung kann von verschiedenen Fotografen durchgeführt werden. Die fotografische Langzeitbeobachtung untersucht die Auswirkungen des Stadtentwicklungskonzeptes auf den öffentlichen Raum. Fotografiert wird deshalb nur in öffentlich zugänglichen Gebieten.

Grundlage für das fotografische Beobachtungskonzept bildete das Stadtentwicklungskonzept der Metron AG für Schlieren, Stand 2005. Daraus ergaben sich folgende Themen und Fragestellungen: Zentrumsentwicklung, Strassen und Plätze, Freiraumentwicklung, Entwicklung der Umstrukturierungsareale, Entwicklung der Wohngebiete, Entwicklung der Siedlungsränder. Metron AG und die Stadt Schlieren legten im Stadtgebiet bestimmte Gebiete und Areale fest, in denen die Themen und Fragestellungen der Stadtentwicklung beobachtet werden. Die fotografische Visualisierung von Raum operiert exemplarisch: Im Unterschied zur Raumdarstellung im Plan beruht die Aussagekraft der fotografischen Beobachtung nicht auf einer vollständigen Abdeckung des gesamten Stadtraumes, sondern auf der Prägnanz beispielhaft ausgewählter Situationen.

Das fotografische Beobachtungskonzept stellt zwei Arten der Wahrnehmung von Raum einander gegenüber: Übersichten und Detailaufnahmen. Sie bilden ein flexibles Bildsystem, welches unterschiedliche Auswertungen aus raumplanerischer und fotografischer Sicht ermöglicht. Je nach Gebiet, Thema und Veränderungsprozess können einzelne Serien zusammengestellt werden, die exemplarisch zentrale Aspekte der Stadtentwicklung visualisieren.

Auf den Bildern sind keine Menschen zu sehen: Die Aufmerksamkeit soll sich beim Vergleich der Bilder ganz auf die Veränderungen im Stadtraum konzentrieren und nicht durch unterschiedliche Positionen von Menschen im Bild abgelenkt werden. Die Menschen sind präsent in den Spuren, die sie hinterlassen.

Übersichten

Auf den Übersichten sind räumliche Zusammenhänge dargestellt. Die Bilder zeigen Veränderungen im Zusammenspiel von Gebäuden, Strassenräumen und Freiflächen. In den Übersichten wird verfolgt, wie die Massnahmen und Eingriffe der verschiedenen Akteure an einem Ort in ihrem Zusammenspiel die Qualität einer räumlichen Situation verändern. Elemente, die sich voraussichtlich verändern (z.B. Abriss, Neu- und Umbau von Gebäuden, Veränderung der Strassenführung etc.), sind im Zusammenhang zu sehen mit Elementen, die gleich bleiben. Im Unterschied zur Architekturfotografie steht nicht ein einzelnes Gebäude im Zentrum, sondern es werden Strassenzüge, Plätze, potentielle Bauflächen und Freiräume bzw. die angrenzenden Gebäude so fotografiert, dass alle Elemente, die den jeweiligen Raum konstruieren, gleichwertig zu sehen sind.

Die Übersichten werden alle zwei Jahre vom gleichen Standpunkt aus unter den gleichen Aufnahmebedingungen wieder fotografiert. Die Serien der Übersichten vom selben Standpunkt aus zeigen Stadtentwicklung als kontinuierlich ablaufenden Prozess. Massive Eingriffe sind ebenso zu sehen wie diskrete, kaum wahrnehmbare Bewegungen.

Die Übersichten sind von der Standpunktwahl her als Einzelbilder angelegt. Sie machen exemplarisch die Eigenheiten der ausgewählten Areale und Gebiet sichtbar. Durch die Standardisierung ausgewählter Aufnahmeparameter bilden die Übersichten jedoch gleichzeitig eine konzeptionell angelegte Bildserie. Alle Einzelbilder können flexibel miteinander kombiniert werden. Diese flexible Kombinierbarkeit bildet die Voraussetzung, um unterschiedliche Räume und Situationen im gesamten Stadtraum miteinander vergleichen zu können.

Folgende Aufnahmeparameter sind für alle Übersichten festgelegt:

  • Der Aufnahmestandort leitet sich aus der Alltagswahrnehmung der Benutzer ab. Der Blick ist geradeaus gerichtet, da das Erdgeschoss für die Alltagswahrnehmung entscheidend ist. Die Kamerahöhe beträgt 170 cm.
  • Der Aufnahmestandort ist aus dem Bild selber nachvollziehbar. Die Kamera steht immer auf öffentlichem Grund.
  • Die Brennweite liegt im Weitwinkelbereich, um die räumliche Tiefe zu vermitteln.
  • Das Licht ist gleichmässig, damit alle Details gleich gut sichtbar sind.
  • Fotografiert wird zwischen Juni und September. Die Vegetation soll sichtbar sein, die Atmosphäre des Ortes jedoch nicht prägen (z.B. durch ausgeprägte Frühlings- oder Herbststimmung).
In den für die Stadtentwicklung zentralen Entwicklungsgebieten Schlieren West, Rietbach, Wagi-Areal. Gasi-Areal sowie im Zentrum wurden Serien von bis zu 13 verschiedenen Standpunkten festgelegt. Die weiteren Themen der Stadtentwicklung werden über ein System von einzelnen Standpunkten beobachtet, die über den ganzen Stadtraum verteilt sind. Die 2005 festgelegten Standorte werden während des ganzen Beobachtungszeitraumes beibehalten. In Erweiterung des Beobachtungskonzeptes von 2005 wurden 2013 in den Entwicklungsgebieten Schlieren West und Rietbach zusätzliche Aufnahmestandpunkten in den neu erstellten Überbauungen festgelegt. Im Zentrum und im Entwicklungsgebiet Rietbach wurden drei Aufnahmestandpunkte, welche 2005 als Teil der Bestandesaufnahme fotografiert wurden, seit 2011 zusätzlich in die fortlaufende Beobachtung mitaufgenommen. Damit werden aktuell 69 Standpunkte für Übersichten alle zwei Jahre wieder fotografiert.

Details

Die Detailaufnahmen zeigen ausgewählte Gegenstände und Situationen, welche für die verschiedenen Areale und Gebiete charakteristisch sind. Die fotografische Sicht konzentriert sich auf die Objekte, welche die Atmosphäre eines Gebietes prägen und die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen. Die Serien bilden kein „Inventar“, sondern zeigen exemplarisch, welche Art der Nutzung und Gestaltung für ein Gebiet typisch sind. Sie umfassen ca. 20-30 Aufnahmen pro Gebiet. Das „Bild“ eines Gebietes baut sich in der essayistisch angelegten Abfolge der Fotografien auf. Serien von Detailaufnahmen wurden in den wichtigsten Entwicklungsgebieten Schlieren West, Rietbach, Wagi-Areal sowie im Zentrum fotografiert. Eine themenbezogene Serie von Detailaufnahmen zeigt Erdgeschossnutzungen entlang der Zürcher-/Badenerstrasse sowie der Uitikoner-/Bahnhofstrasse im gesamten Stadtgebiet. Seit 2011 werden in Erweiterung des Beobachtungskonzeptes von 2005 im Spitalquartier und den angrenzenden Wohngebieten Detailaufnahmen zum Thema Wohnentwicklung im Bestand fotografiert.

Die Details werden alle 5 Jahre themenbezogen wieder fotografiert. Der Vergleich der Serien von Detailaufnahmen zum gleichen Gebiet ermöglicht eine Gegenüberstellung von unterschiedlichen Entwicklungsphasen dieses Gebietes.


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